Jüdische Displaced Persons in München
Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands hielten sich nach dem Kriegsende 1945 mehr als acht Millionen Menschen auf, die sich infolge der nationalsozialistischen Verfolgung außerhalb ihrer Heimat befanden: verschleppt als KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Sie wurden nun zu Displaced Persons (DPs).
Eine vergleichsweise kleine Gruppe unter den DPs bildeten in den westlichen Besatzungszonen die 50 000 bis 75 000 jüdischen Überlebenden. „Der Rest der Geretteten“, hebräisch Sche’erit Hapleta, nannten sie sich. Sie wurden zunächst den eingerichteten DP-Lagern gemäß ihren Herkunftsländern zugeteilt. Erst nach einem dramatischen Bericht vom August 1945 an die US-Regierung über die Bedingungen in den Lagern, wo jüdische Überlebende teilweise mit ehemaligen Kollaborateurinnen und Kollaborateuren auf engstem Raum leben mussten, entstanden jüdische DP-Lager.
München wurde zu einer inoffiziellen Hauptstadt der Sche’erit Hapleta: Rund um die Büros der Hilfsorganisationen entwickelte sich ein osteuropäisch-jüdisch geprägtes gesellschaftliches Leben. Nach der Staatsgründung Israels im Mai 1948 und den gelockerten Einwanderungsbestimmungen der USA und weiterer Länder setzte bis 1951 eine Massenemigration ein. Nur wenige der jüdischen DPs blieben in Deutschland.
Was gibt's noch?
Stimmen
Der amerikanische Psychologe David P. Boder reiste im Sommer 1946 nach Europa, um mit „War Sufferers“ (Kriegsgeschädigten) zu sprechen. Im besetzten Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Italien nahm er mehr als hundert Interviews auf, die er mit einem Drahttongerät aufzeichnete. Die entstandenen Tonaufnahmen gehören zu den frühesten Zeitzeugeninterviews mit Überlebenden.
Zum David Boder Audio-Archiv (Website englischsprachig)

Jürgen Bassfreund
Jürgen Bassfreund wurde in Bernkastel an der Mosel, nahe Trier 1923 geboren. Nach Beendigung seiner Schulzeit ging er nach Berlin auf eine Handelsschule. 1943 wurde er nach zwei Jahren Zwangsarbeit deportiert, da war er 21 Jahre alt. Bassfreund überlebte die Konzentrationslager Buna Monowitz, Auschwitz, Groß-Rosen, Dachau und schließlich Mühldorf. Als er 1945 von den Amerikanern im Außenlager von Dachau befreit wurde, wog er keine 30 Kilo und war schwer an Thypus erkrankt. Nach seiner Genesung arbeitete er in Fürth als Kinovorführer und lernte eigenständig Englisch. Am 20. September 1946 führte der amerikanische Psychologe David P. Boder dieses Interview in der Funkkaserne in München, nur wenige Tage später emigrierte Bassfreund in die USA.
Interview Jürgen Bassfreund, 20. September 1946
Jack Bass auf der Website des Alabama Holocaust Education Center (Website englischsprachig)

Roma Tcharnabroda
Roma Tcharnabroda wurde 1916 in Kielce, Polen, geboren. 1941 hat sie im Deutsch besetzten Lvív die Pogrome überlebt, wurde in ein Arbeitslager deportiert und konnte fliehen. Sie lebte mit falschen Papieren in Warschau, wurde verraten und musste ins Ghetto Warschau. 1943 wurde sie ins KZ Majdanek verschleppt, von dort in Munitionsfabriken in den Westen Polens und schließlich ins KZ Ravensbrück. Sie erlitt starke Erfrierungen. Drei Tage nach der Befreiung wurden Tscharnabroda beide Beine amputiert. David P. Boder interviewte sie am 24. September 1946 in der UNRRA Universität in München. Dort studierte sie Pharmazie. 1951 nahm sie sich in München das Leben.
Interview Roma Tcharnabroda, 24. September 1946
Orte
Die Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung (UNRRA) übernahm im Oktober 1945 die Verwaltung der DP-Lager in der amerikanischen Zone. Ende des Jahres betreute sie insgesamt 227 jüdische und nicht-jüdische Lager in den drei westlichen Besatzungszonen. Im Umland von München wurde das DP-Lager Föhrenwald neben Feldafing und Landsberg das dritte große jüdische Camp.
Karte aller DP-Lager in Oberbayern
www.after-the-shoah.org ist ein Projekt des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Sachen

Rundfenster der Synagoge Reichenbachstraße
Ort: München
Jahr: 1947

Fotoalbum zum 2. Kongress der Sche’erit Hapleta in Bad Reichenhall
Ort: München
Jahr: 1947

Druckletter der Buchdruckerei Gebr. Garfinkiel
Ort: Israel/München