Städtisches Gewerbeamt

DPs waren keineswegs mittellos, sondern brachten Wissen, Fähigkeiten und Beziehungen in die Stadtgesellschaft ein. Sie agierten nicht nur in unterschiedlichen Rollen in den DP-Lagern und Besatzungsbehörden, sondern bauten eigene Geschäfte auf, um sich aus der Abhängigkeit von den Hilfsorganisationen zu befreien. Die Gewerbekarten des Städtischen Gewerbeamts, aus den frühen Nachkriegsjahren, zeigen die Vielfalt der wirtschaftlichen Überlebensstrategien der DPs.

Doch auch in München gab es keine „Stunde Null“. Die jüdischen DPs trafen nicht selten auf antisemitische Strukturen. So hatten die Mitarbeitenden des Städtischen Gewerbeamts nach 1933 aus der Gewerbekartei Münchens alle Karten der als jüdisch Verfolgten herausgenommen. Diese 1.745 Karten waren dann — zusammen mit dem danach gedruckten „Verzeichnis jüdischer Gewerbetreibender“ — ein systematisches Werkzeug für „Arisierung“ und wirtschaftliche Vernichtung.

In der Nachkriegszeit wurden die Gewerbekarten der DPs mit dem Vermerk „Religion: jüdisch“ weiterhin in der „Gewerbekartei der jüdischen Gewerbetreibenden“ geführt. Erst in den 1950er-Jahren wurde dieses Vorgehen geändert und Gewerbekarten von Existenzgründerinnen und -gründern jüdischer Herkunft in die allgemeine Gewerbekartei der Stadt München sortiert.

Abraham Rosner, Uhrmacher

Abraham Rosner wurde 1910 in Jaworzno in Polen geboren. Er lernte dort den Beruf des Uhrmachers und heiratete 1941 Lola Neufeld. Seine gesamte Familie wurde in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. Seine Eltern Isaak und Anna Rosner wurden ermordet. Seine Frau wurde aus dem Getto Sosnowiec in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Rosner kam nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau nach München. Bereits im Dezember 1945 stellte er einen Antrag ans Städtische Gewerbeamt zur Neueröffnung eines Uhrmachereibetriebs, der im März 1946 bewilligt wurde. 1949 ließ er sich ein Führungszeugnis ausstellen — gültig nur für Auswanderungszwecke. Allerdings entschied er sich dann gegen eine Ausreise und heiratete 1952 Irena Badura, die für die Ehe mit ihm zum Judentum konvertierte. Ab den 1950er-Jahren war er Synagogen-Diener in der Betstube Schulstraße. Diese war in einer Wohnung untergebracht, in der sich ehemalige DPs zum Gottesdienst trafen. Rosner führte seinen Uhrenmachereibetrieb — später am Rindermarkt — bis zu seinem Tod im Jahr 1982.

Jakob Nowotny, Strickwaren

Jakob Nowotny, geboren 1912 als Jakub Ber Nowotny in Łódź, betrieb dort eine Strickerei mit einem Dutzend Mitarbeitenden. Ab 1940 in das Getto Łódź gezwungen, arbeitete er dort im Strickerei-Ressort für Handschuhe und Strümpfe. 1944 wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo seine Ehefrau Estera und sein Kind ermordet wurden.

Nach der Befreiung gelangte er über das DP-Lager Feldafing 1951 in das DP-Lager Föhrenwald und später nach München. Bereits in Föhrenwald begann er wieder, mit einer Maschine Strickwaren herzustellen.

Buchdruckerei Gebr. Garfinkiel

Wolf Garfinkiel wurde 1911 in Tomaszów Mazowiecki in Polen geboren. Er und seine Brüder Pinchas und Melech lernten den Beruf des Schriftsetzers. Sein ältester Bruder Josef war Buchbinder und besaß eine große Druckerei in Tomaszów, in der die jüngeren Brüder mitarbeiteten.

Die gesamte Familie Garfinkiel wurde in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Die Eltern wurden ermordet. Die Brüder trafen sich nach ihrer Befreiung wieder. Auf dem Weg ihrer Auswanderung kamen sie nach München. Hier eröffneten sie eine provisorische Druckerei, um die jiddischsprachige DP-Gemeinschaft zu informieren, unter anderem mit einer jiddischen Zeitung.

Sammlung Buchdruckerei Gebr. Garfinkiel

Neben der jiddischsprachigen Zeitung druckte die Buchdruckerei Gebr. Garfinkiel als eine der ersten jüdischen Druckereien der Nachkriegszeit Grußkarten für Feiertage wie Rosch Haschana (Neujahr), aber auch Bar-Mitzwa und Bat-Mitzwa-Karten sowie Hochzeitseinladungen und vieles andere. Im Archiv der Buchdruckerei Gebr. Garfinkiel wurde von jeder gedruckten Karte ein Exemplar als Muster aufgehoben.

Im Laufe der Jahre kamen immer neue Druckformate hinzu. Die Druckerei arbeitete außer für ihre Stammkundinnen und -kunden vor allem für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern und andere jüdische Organisationen.

Wolf Garfinkiel leitete die Buchdruckerei Gebr. Garfinkiel in der Häberlstraße bis 1980. Danach erfolgte der Umzug in die Corneliusstraße, wo er die Druckerei in kleinerem Rahmen bis 1986 weiterführte. Nach seinem Tod setzen seine Frau Herta und seine Tochter Eva, die das Schriftsetzerinnenhandwerk von ihrem Vater gelernt hatte, seine Arbeit fort.

Verknüpftes Objekt

Rosch Haschana. Jom Kippur. Ein Grundlagenheft, gedruckt bei Gebr. Garfinkiel

Ort: München
Jahr: 1971