Installation im Foyer »Sankt Ottilien – das Benediktinerkloster und seine jüdische Geschichte 1945–48« © Eva Jünger
Sankt Ottilien Galerie – © Jens Weber
Sankt Ottilien Klostergelände – © Jens Weber

Sankt Ottilien
Das Benediktinerkloster und seine jüdische Geschichte 1945–48

Ein Projekt der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur am Historischen Seminar der Ludwig Maximilians-Universität, der Erzabtei Sankt Ottilien und des Jüdischen Museums München mit Arbeiten des israelischen Künstlers Benyamin Reich, Berlin

Jüdische Kinder und Glockenklang hätten ihn empfangen, schrieb der jiddische Dichter Leivick Halpern (bekannt als H. Leivick) über seine Ankunft in St. Ottilien im Frühling 1946. Tatsächlich war das Kloster der Missionsbenediktiner zwischen 1945 und 1948 eine unfreiwillige Station für über 5.000 jüdische Überlebende aus…

Sankt Ottilien
Das Benediktinerkloster und seine jüdische Geschichte 1945–48

Ein Projekt der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur am Historischen Seminar der Ludwig Maximilians-Universität, der Erzabtei Sankt Ottilien und des Jüdischen Museums München mit Arbeiten des israelischen Künstlers Benyamin Reich, Berlin

Jüdische Kinder und Glockenklang hätten ihn empfangen, schrieb der jiddische Dichter Leivick Halpern (bekannt als H. Leivick) über seine Ankunft in St. Ottilien im Frühling 1946. Tatsächlich war das Kloster der Missionsbenediktiner zwischen 1945 und 1948 eine unfreiwillige Station für über 5.000 jüdische Überlebende aus Osteuropa. Hinter ihnen lag das Grauen der Schoa, vor ihnen eine ungewisse Zukunft. St. Ottilien, idyllisch gelegen, medizinisch gut aufgestellt und durch die eigene Landwirtschaft ausreichend versorgt, wurde für sie zu einem Ort der Genesung und Erholung, aber auch des Wartens und Hoffens. Die dreijährige jüdische Geschichte des katholischen Klosters begann Ende April 1945. Im Glauben, einen deutschen Zug zu bombardieren, trafen die Alliierten die dort eingesperrten jüdischen KZ-Häftlinge aus den Kauferinger Außenlagern. Die verletzten Überlebenden wurden in das seit 1941 in St. Ottilien existierende Wehrmachtslazarett gebracht, wo zu diesem Zeitpunkt um die 1.500 deutschen Soldaten versorgt wurden.

Von den alliierten Streitkräften erhielten die Ausländer, die sich kriegsbedingt nicht in ihrer Heimat befanden, die Bezeichnung Displaced Persons (DP). Nach und nach entwickelte sich in St. Ottilien ein jüdisches DP-Krankenhaus, daneben entstanden ein Lager und ein Geburtenhaus, in dem über 400 jüdische Kinder auf die Welt kamen. Betreut wurden die Kranken und Rekonvaleszenten von deutschen Ärzten und Krankenschwestern, von Nonnen und Mönchen sowie zunehmend auch von jüdischem Pflegepersonal. Rasch bauten die Überlebenden notwendige Alltagsstrukturen – vorwiegend auf Jiddisch – auf: eine Betstube, einen Kindergarten und eine Talmudschule, eine koschere Küche, Sport- und Schachklub, Berufsausbildungskurse und politische Parteien. Das berühmt gewordene Musikorchester aus St. Ottilien trat in den DP-Lagern der gesamten amerikanischen Besatzungszone auf. Der erste medizinische Leiter des Krankenhauses Dr. Zalman Grinberg avancierte zugleich zu einer zentralen Figur der jüdischen Selbstverwaltung in Bayern.

Diese besondere Zeit direkt nach Kriegsende, geprägt durch das Zusammentreffen von Religionen, die Begegnung von Juden und Deutschen sowie den Alltag des DP-Krankenhauses und -Lagers, bildet eine bisher fast unbekannte Facette der Klostergeschichte und steht 2018 im Mittelpunkt eines vielfältigen Programms.

Ausstellungszeit

13. Mai – 23. September 2018

Ausstellungsort

Foyer

Kurator

Mitarbeit

Konzept und Realisierung:
Evita Wiecki (LMU)
Jutta Fleckenstein (Jüdisches Museum München)
Pater Cyrill Schäfer (Erzabtei Sankt Ottilien)
Mitarbeit:
Marie Wallis
Recherche:
Carolin Piorun
Julia Schneidawind
Mirjam Spandri
Lara Theobalt
Jakob Liebig

Gestaltung

Lendler Ausstellungsarchitektur, Berlin
Grafikdesign: Rimini Berlin

Programm: Installation im Jüdischen Museum München

Mit Arbeiten des israelischen Künstlers Benyamin Reich, Berlin. Den Anfang dieser Aktivitäten macht das Jüdische Museum München: Im Rahmen des Internationalen Museumstages 2018 mit dem Motto »Hyperconnected museums: new approaches, new publics« / »Netzwerk Museum: neue Wege, neue Besucher« zeigt es eine Installation, die Besucherinnen und Besucher auf den Weg in das Benediktinerkloster schicken soll, um dieses aus einer neuen, einer jüdischen Perspektive zu betrachten.

Ort: Jüdisches Museum München / Eröffnung war am Internationalen Museumstag mit Impulsführungen
Laufzeit: 13. Mai bis 23. September 2018

Ausstellung und Rundgang in Sankt Ottilien

Die neue Außenbeschilderung des Klostergeländes wird die Nutzung des kirchlichen Areals als jüdisches Displaced Persons-Krankenhaus und -Lager erfahrbar machen. Die Ausstellung in der Galerie des Klosterladens vertieft dabei ausgewählte Aspekte der Geschichte von St. Ottilien in den Jahren 1945–48.

Ort: Galerie im Klosterladen, St. Ottilien, Laufzeit: 10. Juni bis 23. September 2018
Es besteht die Möglichkeit, an geführten Rundgängen über das Klostergelände und durch die Galerie teilzunehmen. Termine sind nach Absprache möglich. Treffpunkt: Infotafel am Parkplatz/Gasthaus. Anmeldung via E-Mail unter: fuehrungen.jmm(at)muenchen.de oder Tel. +49 89 2885164 23.

Symposium

Vom 10. bis 12. Juni 2018 findet in St. Ottilien ein internationales Symposium statt, das weiteren Aspekten der DP-Geschichte im Kloster St. Ottilien wissenschaftlich nachgeht. Neben der Geschichte des Krankenhauses selbst (seit 1941) werden die Biographien bedeutender Persönlichkeiten, das Zusammenleben der unterschiedlichen Gruppen, der Alltag im DP-Lager, das jüdisch-religiöse und kulturelle Leben in St. Ottilien sowie die Migrationswege und Lebensgeschichten von Kindern – neben zahlreichen weiteren Aspekten – thematisiert. Informationen und Kontakt: evita.wiecki(at)lrz.uni-muenchen.de. Hier finden Sie das aktuelle Programm.

Konzert

Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe wird in Erinnerung an das Befreiungskonzert, das im Mai 1945 von den Überlebenden in St. Ottilien gespielt wurde, Geigensolistin Anne-Sophie Mutter mit dem Orchester der Buchmann-Mehta School of Music Tel Aviv unter der Leitung von Maestro Zubin Mehta am historischen Ort zu Gast sein.

Ort: Erzabtei der Missionarsbenediktiner St. Ottilien / Termin: 23. September 2018, um 15.00 Uhr (Beginn des Sukkot-Festes) / Karten und Informationen unter: www.ammerseerenade.de und info(at)ammerseerenade.de.

Impressum

Konzept und Realisierung
Evita Wiecki (LMU), Jutta Fleckenstein (Jüdisches Museum München), Pater Cyrill Schäfer (Erzabtei Sankt Ottilien)

Mitarbeit
Marie Wallis

Recherche
Carolin Piorun, Julia Schneidawind, Mirjam Spandri, Lara Theobalt und Jakob Liebig

Ausstellungsgestaltung
Lendler Ausstellungsarchitektur, Berlin

Grafikdesign
Rimini Berlin

Die Ergebnisse der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Sankt Ottiliens lassen sich - mit dokumentierenden wie assoziierenden Fotos des israelischen, in Berlin lebenden Künstlers Benyamin Reich - im Jüdischen Museum München verfolgen [...].

Jüdische Allgemeine, 24. Mai 2018

Anhand von elf Tafeln können Besucher bei einem Rundgang durch Sankt Ottilien nun dessen jüdische Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg nachvollziehen.

Süddeutsche Zeitung, 13. Juni 2018
Ein Museum der Landeshauptstadt München